Kathmandu – das Wusel-Zentrum Nepals

Kommt man aus dem wohlorganisierten Japan, bekommt man am Flughafen Kathmandu erst einmal die volle Ladung asiatischer Gelassenheit und Ineffizienz ins Gesicht. O.K., beim Aussteigen aus dem Flieger kann man noch mal ein Auge zudrücken, dass der Bus erst 20 Minuten später auftaucht und einen dann dorthin um die Ecke des nächsten Gebäudes bringt, wohin man in ca. 3 Minuten gelaufen wäre. Aber sie achten hier doch noch auf geordnetes Aus- und Einsteigen – nicht so wie am Low Cost Carrier Terminal in Kuala Lumpur, wo man einfach die Fluggäste mehrerer „Gates“ auf einmal auf das Vorfeld strömen lässt und sich die Menschen aller verschiedenen Maschinen mixen. Da muss man genau nachfragen, in welche man denn gerade einsteigt…

Aber zurück nach Kathmandu, wo man nach einer kleinen Rundfahrt um den Flieger dann zum Immigrations-Gebäude kommt. Dort heißt es erstmal Schlange stehen. Dann bemerkst Du, dass sich was vor und zurück bewegt. Das sind die Leute, die kapiert haben, dass man seine Visums-Gebühr bei dem Mann am ersten Schalter bezahlten muss. Der schreibt bis zum Unterarmkrampf Quittungen aus und schickt die Leute zurück in die Schlange. Wer nun denkt „so, das Nadelöhr mit nur einem Mann habe ich jetzt hinter mir“, sieht sich getäuscht. Denn auch wenn drei Mann am nächsten Schalter sitzen, bedeutet das nicht, dass drei Passagiere auf einmal abgefertigt werden und somit alles schneller geht.

Nein, nicht wie in anderen Ländern, wo Dein Pass gescannt wird und der gleiche Beamte einen Stempel reinhaut, weil Du Deine Gebühr ja schon bezahlt hast… Hier legt der erste Mann den Pass sorgfältig auf den Scanner und gibt ihn dann nach ein paar Minuten weiter an seinen Nachbarn. Der schaut sich ALLE freien Seiten Deines Passes von vorne nach hinten genau an, um dann das Gleiche noch mal von hinten nach vorne zu machen. Dann landet er praktischerweise wieder bei der ersten freien Seite und klebt sorgfältig das Visum ein. Anschließend gibt er den Pass an seinen Nachbarn – und wenn nicht gerade eine Chai-Tee-Pause ist – schreibt der dann noch mal die Passnummer des Passes, in dem das Visum jetzt klebt, auf das Visum. Dann darf man endlich raus zu seinem Gepäck, was neben irgendeinem – schon lange abgestellten – Gepäckband liegt. Das liegt leider schon so lange rum, dass auch keine Anzeige mehr anzeigt, welches Band ursprünglich mal Deins war. Also heißt es suchen. Herrlich, nach zwei Stunden ist man schon durch und kann ins Gewusel der schreienden Taxifahrer.

Einer dieser Taxifahrer bringt den Durchschnittstouristen dann meistens in den Stadtteil Thamel, der hauptsächlich aus Outdoor-Ausrüstungs-Läden, Restaurants, Souvenirshops und Trekking-Reiseagenturen besteht. Mit entsprechenden Aufreißer-Typen vor der Tür. Generell bietet Dir eigentlich jeder auf der Straße was an: Wenn’s nichts zum Rauchen ist, wollen sie Dir Trekkings in den Himalaya verticken. Manchmal auch beides – und das, wo die Cannabispflanzen in den Bergdörfern doch sowieso am Straßenrand stehen…

Die Polizei interessiert das recht wenig, obwohl Marihuana, außer an einem Tag im Jahr wo sie sich aus medizinischen Gründen – dafür ist es nämlich erlaubt – alle zusammen die Rübe weghauen, vor ein paar Jahren als illegal erklärt wurde. Aber die Polizisten haben auch so genug zu tun. Verkehr beobachten und Umarmungen geben. Es ist mir nämlich tatsächlich zum ersten Mal in meinem Leben passiert, dass mich ein Polizist einfach aus Interesse ausgefragt hat, mir ungefragt von seinen Dienstjahren bei der Polizei erzählt hatte – und mich dann zum Abschied umarmt hat! Das nenne ich mal einen starken Arm des Gesetzes…!

Hätte er mal lieber, wie vorgesehen, den Verkehr geregelt. Denn der ist in der Regel ziemlich chaotisch, weil jeder fährt wie er will und die Motorräder zusätzlich alles verstopfen. Manchmal kommt man nicht durch das Gewühl, aber ausnahmsweise nicht wegen der Autos und Motorräder, die wild hupend Platz schaffen wollen, sondern wegen plötzlichen Menschenmassen. Nämlich, wenn die Newar-Bevölkerung zusätzlich zum allgemeinen Straßenchaos wieder eine Prozession durch ihr Stadtviertel macht.

Fußkühlung in Kathmandu

Füße on the rocks

Da laufen sie – unterstützt durch Verpflegungsstationen mit Wasser und Säften sowie Ständen mit Obst und Keksen – ALLE Straßen ihres Stadtteils ab. Bei der Vollmondprozession, die ich erleben durfte, liefen 175.000 Menschen sogar die ganze Nacht durch. Und das, wo doch die Füße schon am Nachmittag glühten. Da half auch die Rast im Affentempel nichts, wo das ganze Areal feinsäuberlich in kleine Pausenparzellen aufgeteilt war und jeder Haushalt eine Ruhezone zugeteilt bekam.

Gebetsmühle mit Frau

gebetsmühlenartig wiederholter Gang um die Stupa in Boudha

Dass es in einem buddhistischen Tempel auch ruhiger zugehen kann, hatte ich beim Samstags-Gespräch eines Abts erlebt, zu dem ich freundlicherweise von einer Freundin einer Freundin eingeladen war. Viel moderner als man denkt, geht’s da zu. Irgendwann hat er sich ein iPad reichen lassen und in Facebook die Bilder seines wiederaufgebauten Kindheits-Klosters in Tibet angeschaut. Da lächelte er dann noch ein bisschen versonnener. Etwas ungewöhnlicher Anblick, so ein Mönch in weinrot-orangener Robe und kahlgeschorenem Kopf, der über den Rand seiner Dalai-Lama-Brille schaut und auf einem iPad rumwischt…

Deutlich traditioneller geht’s da beim Abendessen bei einer Nepalesischen Familie zu, bei der ich eingeladen war. Im Wohnzimmer saß dann auch die 93-jährige Oma und mümmelte ein paar Chips. Auf die Frage, ob sie mich denn nichts fragen wolle, sagte sie „warum denn, ich kenne den doch gar nicht“… Die Männer des Hauses – Vater und Opa, ein ehemaliger Gurkha-Krieger, – schauten auch kurz vorbei und verschwanden gleich wieder. Denn hier arbeiten nur die Frauen.
Nach ein paar kleinen Snacks und getrocknetem Büffelfleisch gab’s schon den ersten Hirseschnaps. Die machen hier wirklich aus allem Schnaps und Wein. Beim Wandern mit den beiden Jungs hatten wir z. B. Weizenwein getrunken. Danach gab’s den Hirseschnaps erhitzt, was den Geschmack noch ein bisschen hervorhob und auch ordentlich reinknallte. Drin waren in Honig geröstete Reiskörner, die den scharfen Geschmack wenigstens etwas abmildern sollen.
Dann gab’s Hühnchenstückchen und anschließend ein Tellerchen mit Spinatblättern. Als ich meinte, dass ich dann bald schon satt sei vor lauter Snacks, meinten sie, das ginge nicht, denn gleich gäbe es das Ganze noch mal komplett auf einem Teller mit Reis und Kartoffeln. Und der Gast müsse zuerst seinen Teller aufessen, bevor dann die kochende Mutter und ihre Schwiegertochter essen dürften. Puuh, da habe ich ganz schön reingehauen, damit die Armen dann auch was essen konnten. Ich hatte letztlich auch Löffel und Gabel zur Hilfe genommen, nachdem ich es auf Anregung der Jungs erst traditionell wie sie mit den Fingern versucht hatte, mich aber anscheinend zu dämlich angestellt hatte und sie meinten, ich solle doch Besteck nehmen… Und ganz froh, war ich, dass es keine Ziege zum Abendessen gab, auch wenn sie noch so „hygienisch“ verkauft wird…

Ziegenkopf

… und ihre Brüder und Schwestern standen noch lebendig daneben…

Ganz langsam und mühsam ist es in Nepal auch mit dem Internet. Daher kommt hier jetzt eine Galerie, die ich nach und nach mit Bildern bestücke. Es dauert ewig sie hochzuladen, weil in Nepal ständig das Internet wegbricht, der Strom ausfällt oder alles gleichzeitig passiert. Daher kommen alle Berichte aus Nepal erst jetzt aus Indien.

2 Gedanken zu „Kathmandu – das Wusel-Zentrum Nepals

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