Transsibirische Eisenbahn – es geht auch ruhiger

Dass es auf der Reise drinnen im Zug auch unspektakulärer und draußen spektakulärer werden kann, hat mich sehr erfreut. Auf der Fahrt mit der Transmongolischen Eisenbahn (lustigerweise in dem Wagen, der momentan bestimmt nicht zu seinem angeschriebenen Ziel „Pjöngjang“ fährt)

eine Reise ins Nirgendwo

Moskau nach Pjöngjang

habe ich mir das Abteil mit einer jungen Holländerin und niemandem sonst geteilt. Sie sprach perfekt deutsch UND russisch, was das Leben im Zug deutlich angenehmer macht. Denn später kommen die Grenzkontrollen und die Grenzbeamtinnen sind sehr damit beschäftigt, grimmig zu sein. Da hilft es sehr, wenn jemand die Schaffnerin fragen kann, ob die Kontrolleurinnen beißen oder nicht und ob sie einem irgendwann auch einmal den Pass zurückgeben.

Ohne Pass, ohne Ticket (das verbleibt während der Fahrt bei den Schaffnern) und ohne mein gesamtes Hab und Gut im Rucksack haben wir zu viert versucht, ein kühles Bier im Shop zu ergattern. Ohne Erfolg sind wir dann auf einen Hügel im absoluten Nichts geklettert und haben – hinter uns der Friedhof (ein sehr beschwerlicher letzter Weg bergauf) – den Blick auf das letzte Städtchen Russlands vor der mongolischen Grenze genossen.

hier steppt der russische Bär

hier steppt der russische Bär

Nach insgesamt 3,5 Stunden Grenzabfertigung auf russischer Seite, rollte der Zug ins Niemandsland, wo die mongolische Uniformparade begann. Grenzbeamtinnen in Minirock und hohen Lederstiefeln zur schlecht sitzenden Stewardessinnen-Uniform, grimmig schauende Drogenfahnderinnen im Camouflage-Look, Gesundheitsinspektorinnen im Sculmädchen-Style und die Zollbeamtin im schicken VoPo-Imitat. Die Mongolen waren gnädiger und brauchten nur 1,5 Stunden. So war die Fahrt dann nach nur 26 Stunden in der kältesten Hauptstadt der Welt vorbei. Glücklicherweise begrüßte sie mich anders – mit Sonne und recht warm. Wobei ich es erst einmal vorzog, zu duschen und ein anderes Klo aufzusuchen, als das aus dem chinesischen Zug.

Augen zu und rein damit

Essen im Zug: Anspruch und Wirklichkeit – Augen zu und rein damit

Augen zu und raus damit

Das Gegenteil von essen im Zug: Ob Chinesen wirklich drauf stehen können?
– Augen zu und raus damit

Transsibirische Eisenbahn – ein Erlebnis für alle Sinne – Teil 1

Unglaublich, wie die iPhones der ganzen Chinesen hier im Cafe Lenin das WLAN lahm machen können. Ich versuch’s trotzdem mal mit dem nächsten Bericht. Fotos werde ich wegen o.g. fernöstlicher Problematik wohl später hochladen.

Achtung, jetzt wird’s ein bisschen mehr Text. Sorry, aber es gibt viel zu erzählen von der lustigen Fahrt quer durch Sibirien…

Wer im Jaroslawer Bahnhof in Moskau sein Gepäck abgeben möchte, um noch ein bisschen die Stadt zu erkunden bis um 23:45 Uhr der Zug abfährt, der muss erstmal suchen. Wie auch der Leningrader Bahnhof in Moskau eine einzige Baustelle ist, findet man ebenso in diesem Bahnhof nur durch dichte Staubwolken den Weg zur Gepäckaufbewahrung. Das Gute: Man bekommt sein Gepäck auch wieder- was ja nicht schlecht ist, wenn man seinen gesamten Hausstand im Rucksack hat.

Den muss man dann nachher in einem kleinen engen Vierer-Abteil unterbringen, zusammen mit dem kleinen Rucksack und der großen Essenstüte mit Würsten, Schokolade, Fertigsuppen und Wodka. Dumm nur, wenn gleich beim Verstauen eine blinde Passagierin ins Abteil huscht und sich in der einzigen Gepäckablage oben versteckt. Als wäre es noch nicht genug des Slapsticks kommen Ihre zwei Begleiter kurz danach ins Abteil. Zwei Typen – ein mit selbsgestochenen Tattoos verzierter Ausgemergelter wie aus einem kaukasischen Gefangenenlager und sein Kumpel der Marke „Lukas-Podolski-nur kleiner-und-aufgedunsener“ – beide schon recht alkoholisiert und solche Genossen, aufgrund deren bloßen Anblicks ich schon in so manch anderen Situationen die Straßenseite gewechselt habe.

Also Gepäck unter das Bett und hoch die Tassen. Denn die Jungs fragen mich gleich – nachdem sie mir zu verstehen gegeben haben, dass ich den Schaffnern keinesfalls von der Anwesenheit unserer Begleiterin erzählen dürfe – ob ich ein Bier mit Ihnen trinken möchte. Ich beschließe, mir die Jungs zu Kumpels zu machen und freue mich, kurz darauf meinen Wodka mit ihnen zu leeren. Sie besorgen daraufhin noch flugs Räucherfisch und eingelegte Sardinen und los geht der Spaß. Nach jedem Schluck Wodka noch ein Zug aus dem Apfelsaft-Tetra-Pak und die Jungs bedeuten mir bald, dass wir uns das Mädel in der Gepäckblage ja auch brüderlich bei allem teilen könnten, was Jungs so Spaß macht. Ich verzichte großzügig und lege mich gegen halb vier ab. Von Schlafen keine Rede, denn die Jungs haben ungelogen einen 20 Minuten Takt beim Rauchen gehen. Zudem müssen sie ja alle halbe Stunde neues Bier holen und dazu konstant lautstark argumentieren.

Als der eine endlich schlief, sprach der andere gleich für ihn mit. Und kompensierte in seinen Selbstgesprächen dazu noch die Tatsache, dass ich leider keine seiner ganzen Erklärungen verstand und er für mich also auch mitreden musste. Gegen sieben schnarchte dann auch der dicke Lukas. Zumindest hörte er die Anrufe seiner wohl sehr eifersüchtigen Freundin nicht mehr, die aber weiterhin trotz MEINES konsequenten Wegdrückens der Anrufe alle 20 Sekunden wieder neu versuchte, ihn zu erreichen.

Eine Fahrt in der Transsib kann also als ein Meisterwerk auf der akkustischen (es kommt noch die Dauerbeschallung aus dem Abteil-TV), der visuellen (alle laufen in Jogginghosen und Flip-Flops rum, bevorzugt dazu kein Hemd mehr über dem behaarten und sehr gut genährten russischen Männeroberkörper) und vor allem der olfaktorischen Ebene bezeichnet werden. Hier dürfen als prägende Bestandteile vier Mal Fußgeruch, Bierfahne, alle 20 Minuten aufgefrischter kalter-Rauch-Atem und nicht zu vergessen der Teller mit dem Sardinenöl, der bis zum Mittag neben meinem Kopf stand, genannt werden. Selbstverständlich gut konserviert, da die Türe aufgrund der versteckten Mitfahrerin ja konsequent geschlossen sein musste.

Aber nicht abschrecken lassen, wer schon immer mal mit der Transsib fahren wollte: Denn ich bin ja ein Alleinreisender, der kein russisch spricht, was einen relativ ungeschützt allen möglichen Mitfahr-Typen aussetzt. Und ich habe auch bewusst das Risiko der 2. Klasse gewählt. Wenn man zu zweit ist und womöglich in der 1. Klasse (also Zweibettabteil) reist, erlebt man zwar weniger, kann aber besser schlafen und sieht mehr von der Landschaft. Die allerdings über tausende Kilometer hinweg vornehmlich Birken und zerfallene Holzhäuser bietet.

Speisewagen im Rossija

Menü 1: Essen fassen im Speisewagen

Restaurant Babuschka

Menü 2: Essen fassen bei Babuschkas (Omas)

Ich hätte sogar den Aufpreis bezahlt, aber es war nichts mehr frei in der 1. Klasse. Aber ich hatte zumindest beim Schaffner genug Mitleid erweckt und durfte das Abteil wechseln. Ich war dann mit einer Russin und einem ukrainischen Seemann – dem einzigen anderen Ausländer neben mir im Waggon und die Optimalbesetzung, wenn es den sanftmütigen, aber gefährlich dreinschauenden Riesen in einem Film zu besetzen gäbe – in einem ruhigen Antialkoholikerabteil. Der Himmel auf Schienen.

Leider nur bis in die übernächste Nacht, wo wir um 1:00 Uhr Novosibirsk erreichten, die Russin ausstieg und ich in mein altes Abteil zurück musste. Unglücklicherweise zog dann da noch ein komischer Kauz ein und wir waren jetzt zu fünft. Glücklicherweise war den beiden Spritbrüdern allerdings bereits während des ersten Tages das Geld für Bier ausgegangen und sie tranken nur noch Tee mit dem kostenlosen heißen Wasser aus dem Samowar am Gang. Die weiterhin gleich getakteten Zigarettenpausen und der strenger werdende Stallgeruch (nach 3 Tagen nicht waschen) führte wie schon in der ersten Nacht gemeinsam mit den Anrufen der Freundin (weniger werdend) sowie meiner Sorge, rechtzeitig wach zu werden, dazu, dass ich gerade mal drei Stunden schlief als der Zug nach 3,5 Tagen Irkutsk morgens um halb acht erreichte. Und zu meiner großen Erleichterung tatsächlich ein Herr ein Schild mit meinem Namen hochhielt und mich zu meiner Privatübernachtungsstätte abholte.

Nach einer kurzen Erholungspause in Irkutsk geht’s dann weiter mit der Transmongolischen Eisenbahn nach Ulan Bator. Mal schauen, mit was dieser Zug aufwarten kann. Der russische Paradezug – Rossija  hat schon mal gehalten, was er an Erlebnis versprach.