Warum in die Ferne schweifen…

…wenn die (Wahl-)Heimat so nah liegt und auch schöne Geschichten bietet.
Wobei mein derzeitiger Wohnort Wien ja für manchen in Kiel oder aus den dortigen Quasi-Nachbardörfchen Kalifornien und Brasilien durchaus eher fern ist.

Und das wohl nicht nur geografisch. Auch sprachlich findet sich der Deutsche in Wien manchmal in einer anderen Welt wieder. Beispielsweise im Restaurant, wo er beim Lesen der Speisekarte manchmal wünscht, er wäre in einem Thai-Restaurant. Denn dort weiß er dank der heutigen globalisierten Welt zumindest oft schon, was ihn bei Tom Yam oder Phat Thai erwartet.
Wohingegen er bei Blunzengröstel mit Kren (angebratenes Blutwurst-Kartoffel-Gemisch mit Merrettich), Vanillerostbraten (wie ein Zwiebelrostbraten nur mit Knoblauch drauf), Faschiertem Laibchen (Frikadelle/Bulette), Beuschel (Lunge) oder Stelze (Haxe) mit Erdäpfel-Vogerlsalat (Kartoffel-Feldsalat) vielleicht vor einer kleinen Herausforderung in der eigenen Sprachfamilie steht.

Leider hilft die Flucht ins Selberkochen auch nicht. Denn auf dem Markt muss er sich dann mit Paradeisern (Tomaten), Melanzani (Aubergine), Karfiol (Blumenkohl), Fisolen (Bohnen) oder Eierschwammerln (Pfifferlinge) rumschlagen. Beim Obst ist er meist genauso aufgeschmissen, so dass das Dessert auch nicht einfacher zum Einkaufen wird – weder auf dem Markt mit Ribisel (Johannisbeeren), Weichseln (Sauerkirschen), Kriecherl (Mirabellen) und Marillen (Aprikosen) noch in der Bäckerei mit Powidlgolatsche (Plunder mit Pflaumenmuß), Topfenstrudel (Quarkstrudel) und Mohnzelten (mit Mohn gefüllter Kartoffelteig aus dem Waldviertel).

riesige Tomaten

das kleine da unten ist tatsächlich ein normaler Haustürschlüssel

Auch am Wurststand macht der Österreicher dem vermeintlichen Parade-Land der Wurstkultur – also Deutschland – starke Konkurrenz. Allerdings muss man hier als Teutone schon wissen, was man denn gerne haben möchte. Burenwurst, Pusztawurst, Waldviertler, mit Pfefferoni und Salzgurke oder pur, mit Kren oder einem Estragonsenf, als Hot Dog oder mit einem Scherzerl Brot. Und wenn man dann auch Stufe 2 der Wiener Wurststandphiliosophie erfolgreich absolviert hat, kann man sich „a Eitrige mit an Schoafn, an Bugel  und an 16er-Blech“ bestellen – nämlich „eine Käsekrainer mit scharfem Senf, einem Brotanschnitt und einer Dose Ottakringer Bier“.

Immerhin freut man sich beim Heurigen oder in Wanderhütten im Herbst sogar über einen Sturm – das ist hier nämlich ein Federweißer. Aber auch schon vorher, wenn ab Frühjahr ausg‘steckt is‘ – also wenn der Buschenschank oder der Heurige im Frühjahr bis Sommer geöffnet sind – gibt’s leckere Sachen. Je nach Heurigem heißt ein Sommerspritzer – also ein Weißwein mit viel Mineralwasser – auch mal Badewanne oder Überschwemmung.
Da nehmen sie es also nicht so streng wie bei den angebotenen Speisen. Denn dass in einem Buschenschank ausschließlich bestimmte und dazu noch kalte Speisen angeboten werden dürfen, ist sogar in §10 Abs. 2 des Wiener Buschenschankgesetzes geregelt. Dafür braucht’s dann aber – wieder schön inkonsequent – noch nicht einmal eine Gastgewerbekonzession.

Bei den für Heurige typischen Aufstrichen traut man sich dann auch an karibische oder alkoholische Varianten. Der Phantasie ist keine Grenze gesetzt – auch nicht bei den Speisekarten, wo man auch ein „nackertes“ oder „mag kein Brot“ bestellen kann.

a nackertes Brot

wer „nix“ mag, zahlt auch nix

Politisch korrekt findet man inzwischen auf den Speisekarten einen „warmen Schokoladenkuchen mit Schlagobers“ statt des früheren Begriffs „Mohr im Hemd“. Wenn das Pipi Langstrumpfs Vater – der heutzutage in Südseekönig umgetaufte Efraim – wüsste… Aber den österreichischen Namen der in Deutschland als Langnese bekannten Eismarke „Eskimo“ haben sie komischerweise noch nicht in „Inuit“ umbenannt.

Somit kommen wir zu einem schönen Wiener Phänomen – der Inkonsequenz. Denn ein weiteres Beispiel der politischen Unkorrektheit findet man wohl auch bei einem Betrieb im Umland, der seine Waren wie andere Firmen auch in einem Zentrallager verwaltet. Leider ist der Name dieser Firma aus geschichtlicher Sicht aber nur mit etwas politischem Bauchgrummeln mit dem Wort Zentrallager zu kombinieren.

keine schöne Kombination

aus der Geschichte könnte man eigentlich auch mal lernen…

Das politische Bewusstsein drückt sein rechtes Auge also nicht nur in Wahlkampfzeiten gerne einmal zu. Wer zum Beispiel ein großes Öl-Gemälde vom Adolf über den Kamin hängen möchte, wird von Zeit zu Zeit sogar auf dem Flohmarkt des Wiener Naschmarkts fündig.
Aber auch die weltoffene Seite ist erkennbar, wenn man ein wenig aus dem Stadtzentrum herausgeht. Böse Zungen behaupten ja, dass Wien schon auf dem Balkan liegt. Manchmal liegt es aber in den zweistelligen Bezirken sogar noch ein paar Kilometer weiter südöstlich. Würde man nicht das Wörtchen „Eingang“ am Schaufenster des Trachtenmodengeschäfts erkennen können, würde man meinen, eher in Ankara als in Wien-Ottakring zu sein…

Sultan von Ottakring

der kleine Prinz von Ottakring

Nicht immer ist die Inkonsequenz politisch. So nimmt zum Beispiel das Dörfchen Laxenburg mit vollem Stolz am Programm „Blühendes Österreich“ teil. Die Umsetzung am Schlossplatz lässt mit einer Absenz jeglichen Grüns auf dem Schlossplatz allerdings ein wenig zu wünschen übrig.

blühendes Österreich in Laxenburg

da stehts schwarz auf weiß – bunt soll’s sein

Warum wohl die Kot-Beseitigung zum Wohle der Hunde und nicht dem Menschen zu liebe geschieht, ist auch noch zu ergründen…

dem Hund zu liebe?

Hau weg die Sch… – dem Hund zu liebe…?

man muss nur dem richtigen Stern folgen…

Die Beschaulichkeit des qualmenden Mechanikers bescherte uns eine Suche der anderen Art. Denn es ist in diesen Gegenden gar nicht mal so einfach, jemanden zu finden, der englisch oder deutsch spricht. Der freundliche Herr vom Hotel – mit dem ich am Vorabend mit Händen und Füßen alle Leistungen und Preise für die drei Zimmer geklärt hatte – geleitete uns wie von uns gewünscht zu einer Werkstatt für Autobusse. Denn Autobusse haben ja viele Hydraulikleitungen und da kennt man sich doch mit langen Leitungen aus…

Otobüs = Autobus

also doch kein Autobus für uns…

Die lange Leitung bei der Hand-und-Fuß-Kommunikation führte uns dann prompt zum Busbahnhof statt zur Werkstatt. Auch gut, dann fragen wir halt einen Polizisten – der zwar genauso wenig Fremdsprachen-Kenntnisse hat, aber dafür ein Moped, mit dem er uns vorausfahren kann… Also mit Polizeieskorte zur richtigen Werkstatt, die aber nur kopfschüttelnd mit einer Adresse der nächsten 80km entfernten Mercedes-Werkstatt aufwarten konnte. Also folgten wir nach dem Sheriff-Stern dann dem richtigen Stern zur nächstgrößeren Stadt Denizli, um dort dann endlich den Stern von Untertürkheim zu finden.

Mercedes Tee

5-Sterne-de-Luxe-Tee

Der Besuch hatte sich letztlich aber nicht nur wegen des Tees gelohnt: In nur fünf Stunden haben sie uns für ein Fünftel des deutschen Preises die Niveauregulierung wieder flott gemacht, wurde eine neue türkische Flagge an die Standarte geknüpft, hat uns der Meister persönlich unser Handmikrofon vom CB-Funk wieder repariert und obendrein gab’s noch Pasta mit grünen Linsen in der Mechaniker-Kantine.

Wieder so flott gemacht, ging die lange Fahrt ans Mittelmeer nach Dalyan. Absoluter „Kulturschock“ nach der Fahrt durch nahezu „ausländerlose“ Gebiete Anatoliens. Es erwartete uns ein britisches Rentnerparadies mit entsprechenden Preisen – und niemand lud uns mehr zum Tee ein. Aber dafür in den Kindergarten und die Schule… Unsere restliche von der Seifenkisten-Kühlerfigur-Knetmännchen-Aufgabe übriggebliebene Knete vermachten wir samt Kreide, Fußball und Pustefix der Kindergärtnerin und durften im Klassenzimmer neben der fortgeschrittenen Bruchrechnung auch die Kombination aus Bollerofen und Beamer im Klassenzimmer bewundern.

Und bei der netten Dame in der gegenüber liegenden Bretterbude gab’s eine weitere Kostprobe von „Antike trifft Moderne“. Die Mikrowelle war eine schöne Zier, denn unsere eigenen Hände entfachten das Feuer für unsere handgerollten Böreks ..

feurige Börek

nur fast Fast Food

 

Die Rallyewelt zu Gast bei Freunden

Gleich am nächsten Morgen gab’s die nächste Etappe von „Warum zum Teufel schippern wir Zeug durch ganz Europa, das es auch vor Ort gibt?“. In diesem Fall gibt es vielleicht noch eine Erklärung: Die Dachziegel für das Rallye-Camp wurden wahrscheinlich von einem Sponsor gestiftet, damit sich hier unten die Jugend trockenen Hauptes begegnen kann. Warum wir allerdings im Kampf gegen trockene Kehlen palettenweise Sultan-Cola von Oberstaufen nach Istanbul gefahren haben, um dann die türkische Cola auf einem türkischen Platz von warmer Palette in eisgekühlte Einzeldosen umzutauschen, erschließt sich uns nicht so ganz.

Die unglaubliche Hilfsbereitschaft der Türken wird noch kombiniert mit einem verdammt guten Draht des Organisationskomitees zur Polizei. Nicht nur, dass VerkehrsREGELN recht großzügig eher als VerkehrsEMPFEHLUNGEN ausgelegt werden, die Herren in Uniform sind auch gut eingespannt als freundlich winkende und salutierende Streckenposten.

auf zum Weltkulturerbe

Fährtenleser auf den Spuren der Geschichte

Ansonsten findet man noch so einiges auf den Straßen der Türkei: tieffliegende Nicht-Rallyeteilnehmer, Schilder mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung von exakt 82km/h, vor dem Fahrerlager kreiselnde tiefergelegte alte Türk-Fiats – sozusagen der einheimische 3er BMW – und LKW-Fahrerhäuschen komplett aus blauen Müllsäcken. Leider nicht immer so gut zu sehen sind die „schlafenden Polizisten“ also Verkehrsberuhigerbodenschwellen oder auch so manches Schlagloch. Zum Glück sind die nicht auf Nebenstraßen zum Weltkulturerbe, sonst hätte so manch einer von uns abgehoben…

 

Verabschiedet hat dann bei manchen so langsam auch die Körperpflege. Eigentlich auch nicht verwunderlich, wenn beim einen Camp auf dem Parkplatz eines Skigebiets die einzige Dusche für knapp 500 Leute im letzten freien Zimmer des Hotels ist. Dumm nur, wenn einer an der Rezeption das nicht beachtet und schusseligerweise auch dieses Zimmer vermietet. Blieb für die meisten also nur der kalte Gebirgsbach für die Katzenwäsche und der abgelegene Blumentrog neben dem stillgelegten Klohäuschen für das große Geschäft.

alternative Körperpflege am Fuß des Berges

hat ein bisschen was von Festival-Feeling am Skilift…

Insgesamt erinnert die Rallye manchmal sogar ein wenig an einen Karnevalsumzug. Teilweise stehen die Rallye-Teilnehmer auf ihren Wagen und schmeißen Kamelle in die am Straßenrand wartende Menge. Ganze Familien warten mit offenen Tüten auf die Geschenke der „Festwagen“ – und manch zu wagemutiger 10-jähriger versucht sogar am Fuße eines Schotterwegabhangs die Autos zum Halten zu bewegen. Keine gute Idee bei schon recht malträtierten Bremsanlagen der alten Rallye-Kisten… Vielleicht schickt das nächste Kölner Dreigestirn ja mal ein Benimmregel-Trainer-Team…?

Und zu guter Letzt wissen wir jetzt auch, wo der Spruch „Wir lassen die Kuh fliegen!“ herkommt. Der erste Regen auf der Rallye war ein Monstergewitter mit Tornadostärke. Da bist Du gerade heilfroh, dass Du auf der 4x4Drive-Off-Road-Etappe im Gegensatz zum Kühler-geschädigten Allrad-Subaru alle Schlaglöcher und Wassergräben gut gemeistert hast, weht Dir förmlich eine panik-getriebene Kuhherde mitsamt Hirten vors Auto.

fliegende Kühe in Anatolien

wir lassen die Kuh fliegen

wir sind übern Damm und am Ball

Auch wenn man dem Morgenstern folgt, darf man den Tag nicht vor dem Abend loben. Diese Schranke vor dem Staudammprojekt aus dem letzten Bericht war der harmlose Anfang. Zwei Stunden Pause in herrlicher Landschaft bei selbstgekochtem Kaffee wiegten uns genauso in Sicherheit wie die herrlich neue Teerstraße. Bald aber wiegten nur noch die Stoßdämpfer und unsere extra montierten Unterbodenschutz und Zusatzlüfter waren pures Gold wert. Daher wurden sie auch nach den Schlaglöchern mit einigen Unterbodenwäschen in noch tieferen Schlaglöchern gepflegt. Viel hätte nicht gefehlt und wir hätten den Auspuff geländewagenmäßig aufs Dach umleiten müssen.

Rallye mit Tiefgang

durchs tiefe Loch am tiefen Rand

Kurz vor der griechischen Grenze gab’s dann noch eine Kostprobe kreativer Tankrechnungen. Man begeistert erst den deutschen Touristen mit einer deutschen Zapfsäule mit Orginal-Beschriftung „Betrag“, „Liter“ und „Abgabe nur in handelsüblichen Mengen“, um dann bei der Bezahlung zu sagen: Keine Kreditkarten und keine Quittung. Dann die Euro von der Zapfsäule kreativ in Albanischen Lek umrechnen, bei der Rückrechnung nur ein paar Nullen unter den Tisch fallen lassen und flugs ist dann die Rechnung um ein Drittel höher. Dumm nur, wenn der finanz-sensible Deutsche es merkt. Lag wahrscheinlich daran, dass der Deutsche Michel finanztechnisch immer vorsichtiger wird, je näher er Griechenland kommt…

auf der Suche nach den griechischen Millionen

ja, wo sind denn nun die 120.540.000,-€ von denen auf dem Schild die Rede ist…?

Wer behauptet, dass die Behörden in Griechenland „unser Geld verbrennen“ sollte mal in die Türkei kommen. Hier wird einem gezeigt, wie ineffiziente Bürokratie wirklich funktioniert… Man baut eine Menge Schalterhäuschen: Im ersten Häuschen wird gefragt, ob’s für alle drei Wagen der erste Besuch in der Türkei ist, im zweiten Haus Passkontrolle, im dritten klebt der Zoll einen Barcode mit gespeicherten Autodaten hinten auf den Pass, der dann vom Kollegen im vierten Haus gescannt wird. Vollbeschäftigung wie im real existierenden Sozialismus.

alles zum Spottpreis

Tee zum Radlager dazu gefällig…?

Ab dann wären es fast nur noch drei Stunden bis Istanbul gewesen. Aber es kommt ja eh’ nicht so wie man denkt. Denn nur noch gut 100 km vor Istanbul zeigte das Feuerwehrauto ungewohnte Schwächen. Und so kommt man dann nett ins Plaudern mit der Mechaniker-Bevölkerung inklusive kredenztem Tee, Kaffee und Sesamkringeln. Unglaublich diese tolle Gastfreundschaft der Türken. Und die schnelle, unkomplizierte und kompetente Hilfe: In nur zwei Stunden ohne vorher die Ersatzteile für den Audi da gehabt zu haben, ein Radlager und vier neue Bremsbeläge zum Schnäppchenpreis von nur 80,-€.

Ja und dann denkt man, man hätte es schon sehr bald ins Fahrerlager zwischen der Blauen Moschee und der Hagia Sofia geschafft – aber Pustekuchen. Verstopfter kann man sich Straßen kaum vorstellen. Aber auch hier findet man in netter Kommunikation irgendeinen Einheimischen, der sich vor Dich platziert und Dir den rechten Weg weist. Und nach nur zwei Stunden im Innenstadtverkehr dann die Fahrt hoch zum Fahrerlager. Genau zwischen den beiden Muezzinen, die gerade um 17:00 zum Gebet riefen. So fiel dann unsere geplante Einfahrt mit Martinshorn aus, aber Blaulicht sieht auch schon spektakulär genug aus. Fast so spektakulär wie unsere Gänsehaut…

Für den Weltrekordversuch mit dem weltgrößten Seifenkistenrennen kamen wir zu spät. Unsere von Annika kunstvoll aus Knete geformte Kühlerfigur kam nicht mehr zum Einsatz, da der Start des Rennens unserem Bau der Seifenkiste zuvor kam. Unglaublich, dass der Bürgermeister Istanbuls uns einen solch geschichtsträchtigen Platz als Fahrerlager für knapp 300 Fahrzeuge – zumindest diejenigen, die aufgrund der wegen eines Anschlags in Mazedonien geschlossenen Grenzen nicht in Mazedonien steckengeblieben sind – zur Verfügung stellt. Leider hatten sie vergessen, noch ein paar Dixi-Klos aufzustellen. Die öffentlichen Klos wurden gegen 22:00 geschlossen. Aber das gewitzte Rallye Team 57 ist nicht nur Nah Am Rosten, sondern auch Nah Am Rost: Einfach das Klozelt direkt auf den Gully-Rost neben dem Auto gestellt und schon läuft’s wieder.

Klozelt unterm HImmelszelt

Imklovisieren ist alles…

Nach der Rede des Europaministers und einigen spanischen Volksweisen – Besame Mucho und zwei Pasodobles – von der Militärkapelle in den schicken Türkis-Blauen Uniformen ging’s dann per LeMans-Start wieder los. Diesmal mit Martinshorn auf den Straßenbahnschienen runter Richtung Fähre. Sensationelles Gefühl in einem solchen Pulk aus verrückten Rallyeautos auf einer alten Fähre auf die asiatische Seite rüberzusetzen.

Herr Terim zieht den Hut

Frauen-(Fußball-)Power für den Patriarchen

Trostlos war dann leider eher das Ergebnis unseres Rallye-Teams gegen das Team des „Türk-DFB“. Trotz spielerischer Überlegenheit des AOR-Teams siegte das mit ehemaligen Nationalspielern gespickte türkische Team dank eines völlig unverdienten Elfmeters mit 1:0. Vielleicht ja ein zusätzliches Goodie vom Schiri an sie… nachdem auch NahAmRosten bei der Übergabe der Geschenke an den Verband eine kleine Wiedergutmachung geleistet hat. Wir haben dem türkischen Nationaltrainer Fatih Terim zwei Trikots übergeben – eines davon von der deutschen Nationalspielerin Svenja Huth, die bei der höchsten Niederlage der türkischen Frauen-Fußball-Nationalmannschaft im Team stand. Bei der Begründung lächelte dann sogar der offizielle Betreuer des Verbands milde…

Und zum krönenden Abschluss des Tages gab’s bei Bier und Wassermelone auf dem Felsen über dem Schwarzen Meer sitzend eine kleine Schwimmeinlage eines Delfins vor der untergehenden Sonne. Da geht das Herz auf…

Delfin am Schwarzen Meer

Flossenaufgang im Sonnenuntergang

Sternstunden in Albanien

Apropos über die Grenze gebracht. Wenn das erste, was Du auf Albanischer Seite entgegen geschmettert bekommst, ein fröhliches Heil H…  ist, fragt man sich, was noch so kommen mag. Aber es kommt ja meistens ganz anders als man denkt…. Freundliche Tankwarte, salutierende Polizisten, Menschen die einem vorausfahrend mit einem Umweg den rechten Weg durchs Verkehrschaos von Tirana zeigen, viele lächelnde Menschen und sonstige Sternstunden.

Sternstunden im mehrfachen Sinn: Zum einen, weil in Albanien seit Genehmigung privater PKWs anscheinend fast nur Mercedesse verkauft wurden und zu einem gefühlten Marktanteil von 75% geführt haben und zum anderen, weil das Kinderheim, zu dem wir unsere gesammelten Spenden fahren, Sternstunden heißt. Toll, was Schwester Almuth dort in Elbasan leistet.

Eine Riesen-Überraschung war die sensationelle Qualität der Straßen, die dann aber bald in Klischeehaftigkeit umschlug. Mit dem Eselskarren kommt man besser durch die  Monsterschlaglöcher, die einem dann als kleiner Überraschungs-Authentizitäts-Streckenabschnitt kurz vor der Hauptstadt geboten werden. Prädikat besonders wertvoll würde hier eine Niveau-Regulierung bekommen, wenn man denn noch eine hätte. Wobei… auch den Audi hat’s erwischt. Effekt waren erste Reparaturen am Auspuff, von Annika mit Bravour in echter McGyver-Manier mit Kleiderbügel und Zuhilfenahme der praktischerweise vom Organisationskomitee ins Auto gelegten Dachziegel gelöst.

Wofür Dachziegel noch alles gut sind...

Wofür Dachziegel noch alles gut sind…

Improvisation ist auch sonst auf der Strecke gefragt. Nicht nur weil man ständig Eseln, Ziegen, Schlaglöchern in Brunnentiefe oder Wildschweinen ausweichen muss, sondern auch weil die Regel, dass man auf der Rallye keine Autobahnen benutzen darf, zu sehr spontanen und unnötigen Pausen führt: 2 Stunden Pause wegen Staudammbau. Die Schranke wird leider erst um 12:00 wieder geöffnet – sehr praktisch auf der Durchgangsstraße nach Griechenland. Und da waren dann die nächsten zwei Stunden am A…

Wenigstens hatten wir noch genug Benzin. Im dichten Wald der Millionen verschiedenen Tankstellen-Unternehmen in Albanien, kann man schon mal den Durchblick verlieren. Gut, wer da auf autarke Eselskraft setzt und den Mineralölkonzernen die Stirn bietet.

Laste-Esel

der 1PS-LKW

Balkanexpress: Die Temperatur steigt, das Niveau sinkt

Jetzt beginnt die Zeit, in der wir öfter mal unser Fähnchen in den Wind hängen. Und zwar bei jedem Grenzwechsel das entsprechende. Soviel Zeit muss sein…Fähnchen-nach-dem-Wind-Hänger

Und spätestens ab Rijeka in Kroatien stiegen die Temperaturen. Außentemperatur, vollgepackter Innenraum und durch Pannen bedingte Adrenalin-Hitzewallungen. Noch innerhalb der ersten 1000 km haben wir es tatsächlich geschafft, das erste Auto zu malträtieren bis der Onkel Doktor kommen musste. Die Niveau-Regulierung – die vom Mercedes, nicht das Niveau im Innenraum, das sich schon lange verabschiedet hat – hat den Geist aufgegeben und hat uns den ersten Besuch bei der Werkstatt beschert. Die Hydraulikleitung war leider auf ganzer Linie zu nah am Rosten und hat sich mit einer fröhlichen Öl-Fontäne verabschiedet. Hat uns drei wertvolle Stunden und zwei Stuttgarter Hofbräu für den freundlichen kroatischen Mechaniker aus Nürnberg gekostet. Der konnte eh’ nur feststellen, dass Dr. Ralf die Leitung perfekt amputiert hatte und wir versuchen sollen, ohne Niveau-Regulierung die restlichen 6000 km zu überleben.

Der Schreck und die Temperaturen hätten eigentlich zu einem bayerischen Grundnahrungsmittel eingeladen, aber dafür hatten wir noch zuviel Strecke vor uns. Aber immerhin wissen wir jetzt, warum die Bayern von Bier als Grundnahrungsmittel sprechen. Das haben sie von den Spaniern in Kroatien gelernt. Hier heißt schließlich eine Biermarke „Pan“ und Brot ist nun mal Grundnahrungsmittel.

Nach nächtlichem Trip durch die paar Kilometer Bosnien-Herzegowina haben wir nach den kläglichen drei Stunden Schlaf im Auto dann den bescheidenen Meerzugang der Bosnier entdeckt – auf der Karte. Denn das bloße Auge gaukelt einem vor, dass es sich um einen Binnensee mit kleinem Inselchen in der Mitte handelt. Aber immerhin teilen sie nicht das Schicksal der Bolivianer, die in einer aufgrund des Nationalfeiertags durchgezechten Nacht nicht gemerkt hatten, dass sie von Peru überfallen wurden und so den Meereszugang verloren haben. Und seitdem dümpelt ihre Marine auf dem Titcaca-See.

Mehr Meer für Bosnien!

Ein kleines Stückchen Meer

Mehr Durchblick haben die Montenegriner zum Teil auch nicht. Zumindest im Tunnel mit einer solch miserablen Entlüftung, dass man vor lauter Abgasen selbst mit Nebelscheinwerfer nichts sieht. Auch außerhalb es Tunnels scheinen manche etwas benebelt. So kamen wir auch in den Genuss unseres ersten „Unfalls“. Ein US-Amerikanischer Rückwärtsfahrer rollte gemütlich in die Seite unseres Feuerwehr-Autos. Kein Respekt mehr vor dem Blaulicht…

in die Parade gefahren

Flankenangriff der USA

Wäre da die Polizei gekommen, hätten sie wahrscheinlich von beiden Parteien mehr abgesahnt als die Kiste wert ist. Immerhin haben wir keine Geschwindigkeits-Knöllchen in Montenegro bekommen wie das Team Getriebesand, das auch zu unserem Kinderheim nach Elbasan gefahren ist. Für den rasant ausgedruckten 3-km/h-zu-schnell-Beleg aus der Radarpistole wollte der Polizist glatt 120,-€, bei schwarzer Bar-Zahlung ging es wenigstens auf 25,-€ runter. Da war die Abzocke an der Grenze unseres Mannes in schicker Uniform und dicker Pistole noch human. Für 5,-€ spontan eine neue Versicherung für den Anhänger – deutsche Versicherungen genießen anscheinend nicht mehr den besten Ruf in der Welt – und  jeweils ein Marken-T-Shirt von jedem anderen Auto haben uns recht günstig über die Grenze gebracht.

Allgäu-Orient-Rallye – Mit dem Stern nach Bethlehem und weiter

Der Sieger bekommt ein Kamel. Darüber lachen dann spätestens alle. Oder geben Dir den endgültigen Stempel „Verrückter!“. Aber da man aufgrund unendlicher Zoll- und Quarantäne-Bestimmungen bei der Einfuhr nach Deutschland scheitern würde und dann noch dazu in der Heimat eh’ nichts mit dem Viech anfangen kann, wird es traditionell einem Start-Up-Beduinen gespendet. Auch wenn die meisten fragen, ob wir es dann auf den Grill legen, wenn wir mit unserem Team Nah-am-Rosten wider Erwarten die Allgäu-Orient-Rallye doch gewinnen sollten.

Stuhlgang mit Stil

Stuhlgang mit Stil

Aber darum geht’s uns ja gar nicht. Der Olympische Motorsportgedanke ist der, der zählt: Ankommen ist alles. Aber das mit Stil: In unserem Team gibt es mobile Klohäuschen, beleuchtete Michelin-Männchen auf dem Dach, NSA-würdige Funkgeräte- und Suchscheinwerferausrüstung in jedem Teamfahrzeug, Kofferraum-Duschkabine und Warmwasseraufbereitung unter der Motorhaube und nicht zu vergessen: Blaulicht und Martinshorn auf einem Auto, das uns den Weg frei boxen kann – also wird’s vielleicht ja doch was mit dem Kamel…

So wie anderenorts Witze anfangen – „Stehen ein Katholischer Priester, ein Imam und ein evangelischer Pfarrer auf der Bühne und …  – fängt im Allgäu eine Rallye an.  Wahrscheinlich nicht so arg viele Menschen durften in ihrem Leben schon mal an einer interkonfessionellen Fahrzeugsegnung teilnehmen. Das war schon fast so spirituell wie die Auto-Segnung in Copacabana am Titicaca-See oder das blutige Autosegnungs-Massaker in Nepal.

Und wenn man so will, gab’s sogar Weihwasser. Um ans Roadbook der Rallye zu gelangen, wurde es feucht-fröhlich. Ganz im bajuwarischen Stil – zwar nicht mit Maßkrug aber dafür mit Bierbank. Zumindest für die, die das Köpfchen nicht richtig eingesetzt hatten. Wer drei Fragen richtig beantwortet hatte, durfte mit dem Tret- oder Ruderboot zum gegenüberliegenden Ufer des Alpsees. Wer nicht, musste auf einer Bierbank rüberpaddeln oder gleich schwimmen. Anfang Mai in einem Alpsee ein wahrlich kurzes Vergnügen.

Quasi ein Ruder-Roadbook

Quasi ein Ruder-Roadbook

Aber hochoffiziell, international und interkulturell geht’s auch zu. Das beschauliche Allgäu-Städtchen verwandelt sich trotz aller Hoch-Die-Tassen-Abschieds-Apres-Ski-Party-Atmosphäre ab dem Morgen des Starts in einen Schmelztiegel der Emotionen: Über die abenteuerlichen Rallyefahrzeuge mit Bobby Cars und Plüsch-Kamelen auf dem Dach staunende Kurgäste, vom ewigen Fanfaren- und Martinshorn-Geprahle trotzdem noch ungenervte Einheimische, aufgeregte Familienmitglieder und noch aufgeregtere Fahrerteams, denen sogar die Schrottkisten schon auf der Startrampe im Festzelt abgesoffen sind. Wahrscheinlich aus Schreck, was das Organisationskomittee noch alles in die eh’ schon völlig überladenen Autos gepackt hat.

So gibt es zahlreiche Sonderaufgaben, für die man das Material durch halb Europa fahren muss. Teils nur ein Holzpfahl, von dem es hieß „Vielleicht braucht Ihr ihn, vielleicht auch nicht“, teils aber auch massiv schwere Dinge wie Dachziegel fürs Allgäu-Orient-Rallye Jugendzentrum in Istanbul. Dazu noch Dinge wie Knete für die Kühlerfiguren der selbstgebastelten Seifenkisten für das Seifenkistenrennen vor der Blauen Moschee. Die Bretter dafür mussten auch noch aufs Dach, die Räder müssen wir unterwegs besorgen. Wenigstens haben sie uns das Tauschmaterial dafür auch gleich mitgegeben: ein Six-Pack Allgäuer Bier, das im Zeichen der Völkerverständigung gegen Seifenkistenräder getauscht werden muss.

Lustig werden die Fotobeweis-Sonderaufgaben später außerhalb des Schengenraums sicher auch noch. Denn die meisten Grenzbeamten von Albanien bis Jordanien finden es ja eigentlich gar nicht so lustig, wenn irgendwelche Bekloppten von sich und den Grenzschildern Selfies machen…

Darüber machen wir uns aber derzeit noch keine Gedanken und erfreuen uns an der kreativen Schilderpraxis Italiens:  innerhalb von 253m Wegstrecke sind es wahlweise noch 38, 40 oder 47 km bis nach Triest.

In Kürze folgen weitere Berichte, aber mit dem Internetzugang ist es noch ein bisschen schwer. Wir fahren mit unserem Mercedes-Stern nach Bethlehem und die Erfahrung mit Reisestress und wenig Internet-Zugang haben vor gut 2000 Jahren auch schon andere gemacht… Daher bitte ein wenig Geduld…

es wird mal wieder Zeit…

… denn ich war viel zu lange nicht mehr unterwegs. Es geht zwar noch nicht direkt los, aber bald ist es wieder soweit. Und da es dieses Mal gar nicht so spontan losgeht, sondern es einiger Vorbereitungen bedarf, geht auch die Bloggerei früher los. Ich werde nämlich bei einem für einen Auto-Technik-Legastheniker wie mich äußerst spannenden Abenteuer dabei sein – bei der Allgäu-Orient-Rallye.

Diese Charity-Rallye von Oberstaufen im Allgäu nach Amman in Jordanien ist eines der letzten automobilen Abenteuer dieser Welt. Denn es werden nur Fahrzeuge zugelassen, die mindestens 20 Jahre alt und straßentauglich sind. Was unser Auto trotz aller Vorbereitungen gerade im Moment leider nicht ist – und in der Schweizer Provinz auf seine Reparatur wartet…

Jüngere Fahrzeuge dürfen nur mit, wenn sie weniger als 1111,11 Euro wert sind. Autobahnen dürfen nicht benutzt werden. Navis auch nicht – also ganz old school mit Karte und Kompass.

Ob uns das auch ans Ziel führt, werden wir sehen. Aber eh‘ ist der Weg das Ziel, denn letzteres ist für uns weniger die Siegprämie – ein echtes Kamel – abzuräumen, sondern Gutes zu tun. Sowohl in unserem eigenen Projekt, bei dem wir eine Menge Sachspenden wie Kleider, Bettwäsche, Schuhe, etc. zum albanischen Kinderheim in Elbasan bringen, als auch bei den Projekten der Allgäu-Orient-Rallye.

Zum einen ist das eine Musikaufgabe, bei der wir auf gesponserten Instrumenten ein Lied einstudieren müssen. Das wird dann im Istanbuler Fahrerlager zwischen der Blauen Moschee und der Hagia Sofia von allen gespielt, bevor die Instrumente dann einem wohltätigen Zweck zugeführt werden. Klingt einfach, wäre da nicht das Problem, dass keiner von uns je auf einer Klarinette gespielt hat.

mit freundlicher Unterstützung des Musikhaus Hummel

alleine das Zusammenbauen wird schon ein Spaß

Zum anderen werden wie in jedem Jahr die Fahrzeuge, die es bis nach Jordanien geschafft haben, ausgeschlachtet und aus den Erlösen daraus werden dann soziale Projekte gefördert. In den neun Jahren ihres Bestehens hat die Allgäu-Orient-Rallye unzählige Projekte wie zum Beispiel Schulen in Anatolien, Wasseraufbereitungsprojekte in palästinensischen Flüchtlingslagern, jüdische Jugenddörfer in Israel oder das jordanische Paralympics-Komitee mit Rollstühlen und Krankentransportwagen gefördert.

Apropos bis nach Jordanien schaffen… Eine Regel der Rallye besagt, dass alle sechs Teammitglieder in wenigstens einem Fahrzeug ankommen müssen. Da heißt es notfalls, gemütlich bei 40 Grad zusammenkuscheln. Mal schauen, welches unserer drei Gefährte uns sechs Gefährten auf die endgültige Fährte bringt.

notfalls mit Blaulicht nach Amman

unsere drei treuen Gefährte(n)

Falls jemand also noch dazu beitragen will, dass unser Team „NahAmRosten“ (Team Nr. 57)  möglichst komplett durch die Berge und Wüsten kommt, könnt Ihr gerne ein paar Kilometer spenden – oder besser gesagt ein wenig Sprit beisteuern.

Und da noch viel besorgt, geschraubt, verstaut, geregelt, beklebt, organisiert und gekauft werden muss, fängt für mich die Reise ausnahmsweise schon viel früher an. Demnächst dann wieder mehr auf diesem Kanal… Wer in der Zwischenzeit noch ein bisschen mehr über die Rallye lesen oder schauen will, kann ja mal einen Blick in die neueste Ausgabe von Abenteuer&Reisen werfen.

 

 

Transsibirische Eisenbahn – ein Erlebnis für alle Sinne – Teil 1

Unglaublich, wie die iPhones der ganzen Chinesen hier im Cafe Lenin das WLAN lahm machen können. Ich versuch’s trotzdem mal mit dem nächsten Bericht. Fotos werde ich wegen o.g. fernöstlicher Problematik wohl später hochladen.

Achtung, jetzt wird’s ein bisschen mehr Text. Sorry, aber es gibt viel zu erzählen von der lustigen Fahrt quer durch Sibirien…

Wer im Jaroslawer Bahnhof in Moskau sein Gepäck abgeben möchte, um noch ein bisschen die Stadt zu erkunden bis um 23:45 Uhr der Zug abfährt, der muss erstmal suchen. Wie auch der Leningrader Bahnhof in Moskau eine einzige Baustelle ist, findet man ebenso in diesem Bahnhof nur durch dichte Staubwolken den Weg zur Gepäckaufbewahrung. Das Gute: Man bekommt sein Gepäck auch wieder- was ja nicht schlecht ist, wenn man seinen gesamten Hausstand im Rucksack hat.

Den muss man dann nachher in einem kleinen engen Vierer-Abteil unterbringen, zusammen mit dem kleinen Rucksack und der großen Essenstüte mit Würsten, Schokolade, Fertigsuppen und Wodka. Dumm nur, wenn gleich beim Verstauen eine blinde Passagierin ins Abteil huscht und sich in der einzigen Gepäckablage oben versteckt. Als wäre es noch nicht genug des Slapsticks kommen Ihre zwei Begleiter kurz danach ins Abteil. Zwei Typen – ein mit selbsgestochenen Tattoos verzierter Ausgemergelter wie aus einem kaukasischen Gefangenenlager und sein Kumpel der Marke „Lukas-Podolski-nur kleiner-und-aufgedunsener“ – beide schon recht alkoholisiert und solche Genossen, aufgrund deren bloßen Anblicks ich schon in so manch anderen Situationen die Straßenseite gewechselt habe.

Also Gepäck unter das Bett und hoch die Tassen. Denn die Jungs fragen mich gleich – nachdem sie mir zu verstehen gegeben haben, dass ich den Schaffnern keinesfalls von der Anwesenheit unserer Begleiterin erzählen dürfe – ob ich ein Bier mit Ihnen trinken möchte. Ich beschließe, mir die Jungs zu Kumpels zu machen und freue mich, kurz darauf meinen Wodka mit ihnen zu leeren. Sie besorgen daraufhin noch flugs Räucherfisch und eingelegte Sardinen und los geht der Spaß. Nach jedem Schluck Wodka noch ein Zug aus dem Apfelsaft-Tetra-Pak und die Jungs bedeuten mir bald, dass wir uns das Mädel in der Gepäckblage ja auch brüderlich bei allem teilen könnten, was Jungs so Spaß macht. Ich verzichte großzügig und lege mich gegen halb vier ab. Von Schlafen keine Rede, denn die Jungs haben ungelogen einen 20 Minuten Takt beim Rauchen gehen. Zudem müssen sie ja alle halbe Stunde neues Bier holen und dazu konstant lautstark argumentieren.

Als der eine endlich schlief, sprach der andere gleich für ihn mit. Und kompensierte in seinen Selbstgesprächen dazu noch die Tatsache, dass ich leider keine seiner ganzen Erklärungen verstand und er für mich also auch mitreden musste. Gegen sieben schnarchte dann auch der dicke Lukas. Zumindest hörte er die Anrufe seiner wohl sehr eifersüchtigen Freundin nicht mehr, die aber weiterhin trotz MEINES konsequenten Wegdrückens der Anrufe alle 20 Sekunden wieder neu versuchte, ihn zu erreichen.

Eine Fahrt in der Transsib kann also als ein Meisterwerk auf der akkustischen (es kommt noch die Dauerbeschallung aus dem Abteil-TV), der visuellen (alle laufen in Jogginghosen und Flip-Flops rum, bevorzugt dazu kein Hemd mehr über dem behaarten und sehr gut genährten russischen Männeroberkörper) und vor allem der olfaktorischen Ebene bezeichnet werden. Hier dürfen als prägende Bestandteile vier Mal Fußgeruch, Bierfahne, alle 20 Minuten aufgefrischter kalter-Rauch-Atem und nicht zu vergessen der Teller mit dem Sardinenöl, der bis zum Mittag neben meinem Kopf stand, genannt werden. Selbstverständlich gut konserviert, da die Türe aufgrund der versteckten Mitfahrerin ja konsequent geschlossen sein musste.

Aber nicht abschrecken lassen, wer schon immer mal mit der Transsib fahren wollte: Denn ich bin ja ein Alleinreisender, der kein russisch spricht, was einen relativ ungeschützt allen möglichen Mitfahr-Typen aussetzt. Und ich habe auch bewusst das Risiko der 2. Klasse gewählt. Wenn man zu zweit ist und womöglich in der 1. Klasse (also Zweibettabteil) reist, erlebt man zwar weniger, kann aber besser schlafen und sieht mehr von der Landschaft. Die allerdings über tausende Kilometer hinweg vornehmlich Birken und zerfallene Holzhäuser bietet.

Speisewagen im Rossija

Menü 1: Essen fassen im Speisewagen

Restaurant Babuschka

Menü 2: Essen fassen bei Babuschkas (Omas)

Ich hätte sogar den Aufpreis bezahlt, aber es war nichts mehr frei in der 1. Klasse. Aber ich hatte zumindest beim Schaffner genug Mitleid erweckt und durfte das Abteil wechseln. Ich war dann mit einer Russin und einem ukrainischen Seemann – dem einzigen anderen Ausländer neben mir im Waggon und die Optimalbesetzung, wenn es den sanftmütigen, aber gefährlich dreinschauenden Riesen in einem Film zu besetzen gäbe – in einem ruhigen Antialkoholikerabteil. Der Himmel auf Schienen.

Leider nur bis in die übernächste Nacht, wo wir um 1:00 Uhr Novosibirsk erreichten, die Russin ausstieg und ich in mein altes Abteil zurück musste. Unglücklicherweise zog dann da noch ein komischer Kauz ein und wir waren jetzt zu fünft. Glücklicherweise war den beiden Spritbrüdern allerdings bereits während des ersten Tages das Geld für Bier ausgegangen und sie tranken nur noch Tee mit dem kostenlosen heißen Wasser aus dem Samowar am Gang. Die weiterhin gleich getakteten Zigarettenpausen und der strenger werdende Stallgeruch (nach 3 Tagen nicht waschen) führte wie schon in der ersten Nacht gemeinsam mit den Anrufen der Freundin (weniger werdend) sowie meiner Sorge, rechtzeitig wach zu werden, dazu, dass ich gerade mal drei Stunden schlief als der Zug nach 3,5 Tagen Irkutsk morgens um halb acht erreichte. Und zu meiner großen Erleichterung tatsächlich ein Herr ein Schild mit meinem Namen hochhielt und mich zu meiner Privatübernachtungsstätte abholte.

Nach einer kurzen Erholungspause in Irkutsk geht’s dann weiter mit der Transmongolischen Eisenbahn nach Ulan Bator. Mal schauen, mit was dieser Zug aufwarten kann. Der russische Paradezug – Rossija  hat schon mal gehalten, was er an Erlebnis versprach.

Liebe(s)grüße aus Moskau

Gleich vorweg: James Bond ist hier nicht vonnöten. Die Stadt scheint harmloser als ihr Ruf. Aber sie ist auch anders als St. Petersburg.

In Moskau wird vieles aus St. Petersburg noch ein bisschen getoppt. Hier sind die Sportwagen dann auch schon mal Maseratis, die U-Bahnhöfe noch ein bisschen schöner, der Servicegedanke noch ein bisschen unterentwickelter, deutlich mehr Bettler und noch verstecktere Hotels und Firmen. Ärgerlich, wenn das gerade Dein Hotel oder die Firma betrifft, bei der Du Deine Transsib-Tickets abholen musst und kein Klingelschild oder sonstiges zu finden ist.

Ein besonderes Highlight in Moskau war aber der Besuch einer Banya. Wenn man so möchte, wie eine Sauna, nur deutlich verschärfter. Man kommt in einen großen Raum, der ungefähr wie ein Zuggroßraumwagen bestuhlt ist – mit ledernen Sitzbänken und Tischen davor. Darauf sitzen lauter dicke nackte Männer. Auf den Tischen Teller mit Pferdewurst und dazu trinkt man entweder Kwass, ein aus Schwarzbrot gegorenes Erfrischungsgetränk/Bier, oder eine ganze ausgepresste Zitrone mit zwei Esslöffeln Honig und Mineralwasser aufgegossen. Die Flüssigkeit ist dringend nötig, denn mit einer klassischen Sauna wie wir sie kennen, hat das nicht mehr viel zu tun. Man setzt sich Filzhüte gegen (!) die Hitze auf, schlägt sich mit Zweigen aus Eichen- oder Birkenlaub (die ganz Harten nehmen Tannenzweige) gegenseitig auf den Rücken bzw. die Verlängerung davon und wenn’s noch nicht heiß genug ist, macht einer einen Aufguss. So weit so gut, nur dass der Ofen ca. 2,5 m hoch ist und man eine Eisentür wie bei einer Dampflok aufmacht und Wasser bis zum geht nicht mehr reinschüttet. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit brennt die Luft wie die Hölle. Und jeder Luftzug macht es noch heißer. Vielleicht ist diese Klappe ja doch der Einstieg zum Fegefeuer…   

Allgemein lässt man in Moskau eine Menge Geld für recht wenig. Mickriges Hotelzimmer, wenig Essen und jeder Kircheneintritt – alles kostet ca. doppelt soviel wie in Deutschland. Aber ich denke, den Wodka gibt’s günstig. Den muss ich jetzt noch kaufen für den Zug. Dreieinhalb Tage am Stück im Rossija – schaumermal wie’s wird und wie danach meine Russisch-Kenntnisse sind.

Achja – und nicht dass der Eindurck aufkommt, ich hätte keine Fotos gemacht oder wäre nur in der Banya gewesen, hier noch ein Foto :-).Basiliuskathedrale