Fliegt man – wie ich gerade – aus einem Entwicklungsland, in dessen Hauptstadt die Straßen ständig unter Wasser stehen und die dunklen Gassen stinkend und leer vor sich hin gammeln, nach Seoul, erlebt man einen Kulturschock.

Ein schönes Kleid für den Life Ball in Wien
Einige merkwürdige Sachen gibt es in Seoul aber dann doch auch. Es ist z. B. die einzige über-20-Millionen-Einwohner-Metropole, die ich kenne, die nahezu ohne jeglichen öffentlichen Mülleimer auskommt. Selten habe ich meinen Müll so lange durch eine Stadt getragen, bis ich endlich nach 3 Stunden (!) einen Mülleimer gefunden habe. Und dennoch ist die Stadt extrem sauber. Die Disziplin der Südkoreaner ist schon beeindruckend.
Hier gibt es Screen-Golf wo man den Ball gegen eine Leinwand drischt, Oettinger-Bier im Seven-Eleven, jede Menge Fernseher in der Kathedrale auf denen hoffentlich nicht der spezielle TV-Kanal für eSports läuft, Riesen-Damenschlüpfer, künstliche Reisfelder mitten in der Stadt und Würstchen im Pommesmantel am Stiel.

nicht gerade Copacabana-Style

Würstchen mit Pommes am Stiel
Beim Essen gibt’s sowieso merkwürdige Dinge: Die Ess-Stäbchen sind aus Metall, was anfangs eine etwas flutschige Umstellung ist. Zu jedem Essen kommt Kimchi, dieser durch Milchsäure vergorene Kohl mit Chillipulver sowie dutzende anderer kleiner Schälchen mit getrockneten Fischlein, fermentiertem Irgendwas und Seetang.

leider etwas unscharf, aber nicht wegen Zensur – draufklicken und es wird groß 🙂
Man findet in den Aquarien Lebewesen, die aussehen wie lebendige Penisse. Es gibt sie auch als hochrot angelaufene und angeschwollene Variante.
Beim Korean Barbecue schneidet man das Fleisch, das direkt vor einem auf einer heißen Metallplatte mit Geruchsstaubsauger oben drüber gebraten wird – mit einer handelsüblichen Schere.

schnipp-schnapp, fertig ist das Fleisch
Danach kommt es öfter vor, dass einen der Kellner noch mit Febreze besprüht (hiermit einen schönen Gruß an die Düsseldorfer Karnevalsgesellschaft). Und es gibt unzählige Cafés, die leider recht unerschwinglichen Kaffee anbieten – teurer als in Deutschland.

Go for Gold(en Agers)
Die alten Männer, die sich – scheinbar zu Hunderten – in einer Reihe zusammensetzen und das chinesische Brettspiel Go spielen, trinken dazu alle diese kleinen Yakult-Fläschchen. Die größeren Flaschen, die im Leben der Südkoreaner eine wichtige Rolle spielen, sind mit Soju gefüllt. Das ist ein Schnaps, der sich zwischen 20 und 40 Prozent bewegt und bei jedem Essen und Beisammensein in rauen Mengen getrunken wird. Vor allem nach Feierabend sieht man dann einige Businessleute sich nebeneinander an einer Wand abstützend, wie sie sich die Sache mit dem Soju noch mal durch den Kopf gehen lassen. Streng nach dem Motto: „Vorbeugen ist besser als auf die Schuhe kotzen“.
Wie sonst eigentlich fast nur in Entwicklungsländern zu sehen, findet man in Seoul auch noch ganze Straßen mit ein und demselben Produkt. Also z. B. eine Bäckereienstraße, eine Stoffstraße oder eine Straße, in der es ausschließlich Kabel und Stecker bzw. Steckdosen zu kaufen gibt. Diese Straße mündet dann praktischerweise in der Lampenstraße. Letztere scheint das Gebiet der Badezimmereinrichtungen feindlich übernehmen zu wollen und drängt von der gegenüberliegenden Straßenseite zwischen die Kloschüsseln und Kacheln. Wenn das mal gut geht…

Das Bild macht hier keinen Sinn, aber ich find’s klasse
Das Komischste an der Wachablösung vor dem Palast Deoksugung sind nicht die vielen bunten Uniformen der Wachen oder die Muschel-Trompeter, sondern dass die Stadt Seoul seit 1. Mai 2013 ausländischen Besuchern die Möglichkeit bietet, dort selber mitzumachen. Und ich hatte mich sehr gewundert, was unter all diesen grimmig dreinguckenden Koreanern, die dicke amerikanische Frau und Mann machen…

Mundmuschel statt Ohrmuschel
Sich zurecht zu finden wird einem leicht gemacht. Fast alle Ortsangaben beinhalten den jeweiligen Ausgang der entsprechenden U-Bahnstation. Nur dann lassen sie Dich leider manchmal im Stich. Und dann wird’s kompliziert: Die Nummer, die Du in Deiner Adressangabe hast, ist nämlich keine Hausnummer, sondern irgendeine Nummer eines Komplexes und dann vielleicht noch die Büronummer. Also musst Du die Leute nach dem Gebäude fragen und das ist leider nicht ganz so einfach, denn sogar in Seoul sprechen – für ein Industrieland erschreckend – nur sehr wenige Menschen englisch. Bleibt also nur die Hand-und-Fuß-Kommunikation und einige sinnlos mehr gelaufene Meter, da Dich die Menschen auch bei kompletter Ahnungslosigkeit einfach in irgendeine Richtung schicken. Da sind sie also ganz asiatisch…
Und eine sonderbare Sache durfte ich – nachdem sich Seoul überwiegend regnerisch zeigte – in Aktion sehen. Sonst hätte ich vielleicht nie erraten, für was diese Vorrichtung ist: Ein Regenschirm-Schließfach…

Regenschirm-Knast